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kriegsmaschinedraft1
 
Der Iraq Body Count schnurrt. Prozentrechnungsbegabte können ja schon mal über den Daumen schätzen, wie sich das in diese Statistik (Stand '98) einfügen mag. Die Werte sind in % der Bevölkerung eines Landes angegeben, die am jeweiligen Krieg gestorben sind.

Es ist halt alles sehr kompliziert. Erinnert sich noch jemand an den letzten Golfkrieg? An die Szenarien, die da kursierten? Was die Irakis den Amis alles antun werden? An die Zahlen, dass die US-Army schon 100000 Bodybags an den Golf bestellt hätte und dass alles ein riesiges Desaster wird? Tja und dann war der Krieg ziemlich rasch vorbei und die Bodybags mussten alle mit irakischen Leichen gefüllt werden.

Krieg scheint eine bestimmte Erzählung zu kreiieren. Und die Rolle der Medien und von so Besserwissern wie uns ist die, ein retardierendes Moment einzuführen. Der Krieg geht los, alles scheint nach Plan zu verlaufen und auf einmal tauchen Probleme auf. Geht doch alles gar nicht nach Plan. Wie auch, die Realität kann man ja gar nicht planen, natürlich geht alles schief, ätsch. Und dann verschwinden die Probleme auf einmal wieder und der Krieg ist doch nach ein paar Wochen vorbei.

Nun ist es aber so, dass natürlich die Probleme doch nicht verschwinden. Wir Medienheinis sind nur genauso betriebsblind wie die Militärheinis, vielleicht sogar ein wenig blinder.
Die Differenzen zwischen Pentagon und Armeeführung gibt es tatsächlich. Nur, bloß weil man Rumsfeld eine Niederlage wünscht, heißt das noch lange nicht, dass er auch Unrecht hat (in seiner Logik). Die US-Army ist ein riesiger Apparat und Rumsfeld will ihn modernisieren. Das führt zu Konflikten. Nachdem Rumsfeld erst glänzend dastand, sah er eine Weile etwas beschädigt aus, jetzt steht er wieder glänzend da. Sollte eines Tages, wenn der Krieg längst vorbei ist und die Amerikaner ihre Besatzungsregierung eingesetzt haben, eine Autobombe vor deren Hauptquartier in die Luft gehen und hundert GI sterben, dann steht er wieder schlecht da. Denn nur weil die Amerikaner den Krieg gewonnen haben, heißt das noch lange nicht, dass sie auch den Frieden gewinnen werden.

Als Medienheini, der den ganzen Tag vor dem Fernseher und Computer sitzt, tendiert man dazu, immer irgendwo den Deppen zu suchen. Bei der US-Army, bei den Peaceniks, sonstwo. Das größere Bild verliert man da öfters aus dem Blick.

Das Problem dieses Krieges (für mich) war nie ein strategisches, wie die Amis da jetzt reingehen, mit einer großen Armee oder einer kleinen. Es war auch nicht, dass bei einem solchen Krieg so viele Zivilisten sterben. Das ist zwar schlimm aber so ist das in Kriegen. Und im Vergleich zum zweiten Weltkrieg oder zum Vietnamkrieg halten sich die zivilen Verluste bei diesem Krieg in Grenzen.

Ich war aus zwei Gründen gegen diesen Krieg. Weil er die Uno beschädigt hat (hat er, ob das so bleiben wird, wird man sehen). Und weil ich ziemlich sicher war, dass es schwierig ist den Irak zu demokratisieren, wenn man einen unprovozierten Angriffskrieg führt ohne wirkliche Verbündete zu haben (auch das wird man sehen, vielleicht klappt es ja doch, wahrscheinlich aber eher nicht). So unngerne ich das als alter Linker sage, aber gegen einen von der Uno legitimierten Krieg hätte ich wenig einzuwenden gehabt.

Das sind aber Sachen, für die es relativ gleich ist, ob der Krieg morgen vorbei ist oder in drei Wochen. Worum geht es denn? Geht es darum, recht zu behalten oder was?

Ich glaube nach wie vor, dass der Krieg falsch war. Aber das ist eine Erkenntnis, die überhaupt nicht weiter führt. Es ist immerhin ein Krieg, der ein übles Regime beseitigt hat und das ist etwas, mit dem ich mich anfreunden kann. Jetzt muss man sich doch die Frage stellen, was nun kommt. Bricht das Land auseinander? Was passiert mit den Funktionären der Baath-Partei? Wie demokratisch werden die Strukturen sein, die die Amerikaner den Irakis aufdrücken? Inwieweit kann man einem Land demokratische Strukturen aufdrücken? Gibt es sowas wie eine Zivilgesellschaft? Wenn ja dann wo und wie kann man die bestmöglich in einen demokratischen Aufbau des Landes einbinden? Das sind doch die interessanten Fragen.

Und da gibt es genug zu tun, zum sich Gedanken machen.

Hey: die Europäer tönen immer groß rum, dass sie so multilateral drauf sind, und dass es nicht sein kann, dass die Amerikaner bestimmen, wie die Welt aussehen soll - aber wo sind denn die tollen Beispiele dafür, dass die Europäer irgendwo etwas besser gemacht hätten als die Amerikaner? Wo haben denn die Europäer in den letzten Jahren die demokratischen Kräfte in diktatorisch regierten Ländern gestärkt, um friedlich Transformationsprozesse in Gang zu setzen? Haben sie nicht. Wo sind denn die tollen Pläne, für eine Lösung des Israel-Palästina-Konflikts? In irgendwelchen Schubladen.

Ich hab in den letzten Tagen "Terror and Liberalism" gelesen, von Paul Berman. Und so wie der die Geschichte der totalitären Bewegungen im mittleren Osten erzählt, stellt sich das (etwas verkürzt gesprochen) so dar, dass die Baath-Partei auf der einen Seite und die islamischen Fundamentalisten auf der anderen Seite nichts anderes sind als späte Varianten der totalitären Bewegungen in Europa. Es gibt ein paar Unterschiede, im großen und ganzen sind sie aber deckungsgleich.

Und da gab es eine ganze Reihe von verschiedenen Arten und Weisen mit ihnen umzugehen. Krieg (hat Deutschland besiegt), Krieg/Partisanenbewegung (hat Mussolini gestürzt) aber eben auch das Fördern von zivilgesellschaftlichen Elementen (hat Franco zwar nicht gestürzt, hat aber dazu geführt, dass nach seinem Tod ziemlich rasch ein liberal-demokratisches System eingeführt werden konnte. Und wer hat über Jahre die spanische PS aufgebaut? Das war die Sozialdemokratische Internationale unter Willy Brandt.

Wenn mir jetzt jemand sagt, hey, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Friedrich Ebert-Stiftung arbeiten schon seit Jahren mit irakischen, iranischen, syrischen, ägyptischen, palästinensischen und sonstwie arabischen Exil-Sozialdemokraten zusammen, Du weißt davon bloß nichts, super, dann freu ich mich. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das nicht so ist.

Das sind aber genau die Dinge, auf die man jetzt den Blick richten muss.

Der britische Sympathie-Puschel scheint nur bei den Irakern so richtig gut an zu kommen, GIs brauchen es offensichtlich etwas deutlicher: Die Angst vor irrtümlichen Angriffen durch US-Streitkräfte hat bei britischen Soldaten im Irak die Nachfrage nach ihren eigenen Landesflaggen erheblich angekurbelt. Bleibt zu hoffen, dass die Piloten auf Speed auch den Union Jack auch erkennen.

Das Fressen-Kotzen-Ratio wird nicht nur angesichts der Metzelei in Bagdad immer unausgewogener, auch die heimischen Peaceniks bemühen sich nach Kräften: Nachdem Produkte von der Ostküste stramm friedlich boykottiert werden, soll dies jetzt auch mit der Sprache der fiesen Amis geschehen: "Aus Protest gegen den Irak-Krieg" rufen Sprachwissenschaftler dazu auf, englische Ausdrücke im Deutschen durch ihre französischen Pendants ersetzen. "Billet" statt "Ticket" und "Karton" statt "Box" zu sagen, soll "eine friedliche Form des Protests gegen die Politik der USA und Großbritanniens und eine Demonstration deutsch-französischer Solidarität" sein, meinen die Hanswürste. Da kann man nur mit einem fröhlichen "Fuck you!" antworten.

PS in eigener Sache: Nein, hier wird eigentlich nicht der Fünftageswoche nachgehangen. Da haben sich wohl vielfältige Müdigkeitssyndrome mit der etwas lähmenden Erkenntnis gepaart, dass der schnelle Vorstoß auf Bagdad kein PR-Gag war.

 

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